Dienstag, 17. Februar 2015

Worte über die Wortlosigkeit

Hallo…

Seit einem Monat bin ich wieder in Deutschland.

Und ich weiß, dass viele wieder sehr lange auf diesen Post hingefiebert haben.
Ich hatte mal irgendwann 'ne Idee für 'ne Art Fazit über mein Jahr, irgendsowas tiefgründiges über die Schönheit in den sterbenden Momenten und wie aufregend und faszinierend das Leben doch ist, aber diesen Entwurf hab ich nie beendet.
Oft saß ich schon davor, doch je öfter ich die schon geschriebenen Zeilen gelesen hatte, desto mehr wollte ich alles löschen und meinen Blog einfach vergessen. Australien vergessen.
Einfach wegrennen. 
Wovor wusste ich allerdings auch nicht genau. 

Deshalb vergessen wir mal dieses Schöngeschreibe und Poetische und kommen mal alle runter von unserer Palme auf den Boden der Tatsachen. 
Jetzt habt ihr ein Jahr lang mein Abenteuer verfolgt. 
Ich hab euch mitgenommen ins Outback, hab euch an zalhreichen Sonnenuntergängen teilnehmen lassen, ihr seid mit mir in die Schule gegangen und auf Versicherungsjagd, habt euch fünf Mal am Tag mit mir nassregnen lassen, mit mir im Ozean nach meinem Handy gefischt, seid mit mir auf Fiji Nemo suchen gegangen und bei 40 Grad unter dem Ventilator verbrutzelt. 
Ihr habt alles erlebt und mitgefühlt, was ich gefühlt habe. 
Auch den Stich der portugiesischen Galeeren. 
Unsere alte Freundin. 
Und als Außenstehender könnte ich mir vorstellen, wirkt mein Jahr nicht perfekt, aber ziemlich verdammt nah dran. 
Aber ich habe auch auf Berge klettern müssen, die niemand gesehen hat. 
Ich bin ein ehrlicher Mensch und mir ist es wichtig, dass das, was ich euch erzähle, der Wahrheit entspricht.
Dieser Blog hatte nie die Absicht, das Auslandsjahr in diesen rosaroten Schimmer zu tauchen und falsche Erwartungen aufzublasen wie einen Luftballon, der für so viele Menschen höchstwahrscheinlich früher oder später zerplatzen wird. 
Denn wie heißt es so schön, es gibt keinen Regenbogen ohne ein bisschen Regen.
Und ein Auslandsjahr ist hart. Sehr hart. Es ist anstrengend und kräftezerrend und verwirrend. Aber was ist schon ein Auslandsjahr. 
Das Jahr deines Lebens.
Ein Abenteuer.
Eine Herausforderung.
Eine Möglichkeit.
Ein Fluchtweg.

Für mich, von allem ein bisschen. 
Und je länger ich in zurück in Deutschland bin, desto stärker ist das Verlangen, wieder zu fliehen. 
Ich würde euch liebend gern in der euphorischen Art, die mein Blog so pflegt, von den letzten Wochen in Australien erzählen und dem last minute packing und den rotvioletten Haaren und dem Rückflug und wie schön es war, alle wiederzusehen und dass es zuhause doch am schönsten ist, und alles wieder seinen Lauf nimmt und ich schon auf die nächsten Ferien in Perth spare, aber nein.
Nein.
Das kann ich nicht.
Ich kann mit dem Jahr noch nicht abschließen. 
Und es ist auch nicht alles gut. 
Ich bin zurück gekommen nach Deutschland schneller als mir lieb war, mit einem großen, lauten Crash, und der hat meine Welt komplett durcheinandergewürfelt.
Meine Tage schwinden dahin. 
Ich lache weniger. 
Und denke viel nach. 
Möchte ich überhaupt den Weg gehen, den ich gerade gehe?
Möchte ich für die nächsten zweieinhalb Jahre meine Gedanken zumauern mit unendlich langen Seminarfacharbeiten, gefüllt von unendlich komplizierten Schachtelwörtern und Fremdbegriffen, geschrieben in unendlich vielen schlaflosen Nächten? 
Hab' ich überhaupt die Motivation und die Kraft dazu?
Will ich Tag für Tag Handpuppe eines Systems sein, das meiner Meinung nach Individualität im Keim zertritt? 
Ein System, welches denjenigen als besonders hochintelligent bezeichnet, der am schnellsten am meisten wiederkeuen kann wie vorprogrammiert, nicht fokussiert darauf, wie er es versteht, sondern darauf, was der Lehrer gerne hören würde.  
Will ich das wirklich? Warum will ich das? 

Und darf ich es auch nicht wollen? 

Und was will ich dann? Kann ich das schaffen? Was, wenn ich es nicht schaffe?
Warum bin ich überhaupt hier? Was ist meine Aufgabe auf dieser Welt? 
Wofür bin ich gut? 

All diese Fragen fressen mich auf. Zusammen mit dem noch immer bestehenden emotionalen Chaos bezüglich Australiens und dem Batzen Hausaufgaben und Arbeiten, die jetzt schon bedrohlich nahe rücken, nach gerade mal einem Monat - 
ich kann im Moment einfach nicht mehr.
Aber ich habe den Eindruck, in unserer Gesellschaft ist es nicht gern gesehen, nicht mehr zu können. 
Denn wenn man nicht mehr kann, dann ist man schwach. 
Und wenn man schwach ist, ist man schlechter als die anderen. 
Und wenn man schlechter als die anderen ist, dann wird aus einem ja nie was anständiges. 

Jedes Mal, wenn ich mich mal mit diesen Fragen und Themen auseinander setzen möchte, kommen mir die Tränen, und aus Selbstschutz verfall' ich dann in diese graue Stimmung, in der ich wenigstens ausreichend genug funktioniere, um morgens genug Kraft zu haben, mich irgendwie zur Schule zu bewegen. 

Tut mir Leid, dass dieser Post nicht wirklich das ist, was sich einige vielleicht erhofft hatten, aber ich hoffe, ihr habt Verständnis dafür, dass ich nicht über etwas erzählen kann, was ich selbst noch nicht verarbeitet habe.

Bevor ich also irgendwelche voreiligen Schlüsse ziehe, muss ich mal irgendwo allein in den Wald und nachdenken. 
Bis dahin hoffe ich dass es euch allen gut geht. Und macht euch keine Sorgen. Ich werd' schon wieder. Danke fürs Lesen <3